Draußen blind barfuß gehen – Geht das? Ja, mit Barfußschuhen! Vor einem Jahr habe ich mir meine ersten Barfußschuhe gekauft. In einem Laden des Herstellers leguano in der Kasseler Innenstadt.

Mit Barfußschuhen den Boden fühlen

Dort habe ich sie zum ersten Mal gespürt: meine Leidenschaft für Barfußschuhe. Ich zog sie an und probierte in einer Test-Ecke des Ladens das Gehen über verschiedene Untergründe wie Steine, Glasscherben, Rindenmulch und auch dem normalen Fußboden. Danach stellte ich die Schuhe wieder ins Regal. Ich war skeptisch. Ich wollte nicht das Risiko eines Fehlkaufs eingehen.

Während des restlichen Einkaufsbummels erinnerten sich meine Fußsohlen aber ständig an das tolle Gefühl, sich fast nackt und doch sehr sicher gefühlt zu haben. Seit ich vor 25 Jahren erblindete, bin ich nämlich nie wieder ohne Schuhe draußen unterwegs gewesen. Wie sehr mir das fehlte, merkte ich nun. Daher ging ich wieder in den Laden und kaufte mir mein erstes Paar Barfußschuhe. Eine der besten Entscheidungen meines Lebens. 🙂

Mein erster Waldspaziergang

Ich platzte fast vor Spannung, als ich meine neuen Schuhe anzog. Im Treppenhaus bewegte ich mich fast lautlos und spürte klar die Kanten der Stufen. Draußen auf dem Gehweg dann das Gefühl, nur in dicken Socken unterwegs zu sein. Ich dachte mir „Wow, was ich nun plötzlich alles mit meinen Füßen sehe.“: Die Rillen zwischen den Pflastersteinen, die glatten Gehwegplatten, dazwischen wachsende Grasbüschel, die etwas raue Oberfläche des Asphalts unter den Füßen. Dabei trotzdem die ganze Zeit das gute Gefühl, dass Zehen und Fußsohlen geschützt sind. Dann der Beginn des grob geschotterten Wanderweges. Ich war gespannt. „Werden spitze Steine mir in den Fuß pieken?“, fragte ich mich. Nein, sie piekten nicht und die seltenen Male waren weit unterhalb der Schmerzgrenze.

Ich merkte, dass ich etwas langsamer und wesentlich achtsamer ging – geerdet. Ich verlagerte mein Gewicht instinktiv immer mehr von der Ferse auf Mittelfuß und Ballen. Ich spürte Wurzeln, kleine Ästchen, Bucheckern, Eicheln und bröckelnde Erde. Wenn ich  zu weit an den Rand des Waldpfads kam, den ich in allen seinen kleinen Unebenheiten wahrnahm, bemerkte ich altes Laub auf dem Boden. Besonders toll war es bei einer etwas matschigen Stelle. Ich drückte meine Zehen durch die dünne, flexible Schuhsohle in den weichen Untergrund und grinste breit. Herrlich! An manchen Stellen ist der Waldboden federnd. Ich bewegte mich fast lautlos, nur mein Blinden-Langstock und das Glöckchen meines umherstreunenden Blindenführhundes verursachten ab und zu ein Geräusch.

Mit  Barfußschuhen durchs ganze Jahr

Seit diesem Tag ziehe ich fast nur noch Barfußschuhe an. Ich kaufte mir noch zwei wasserdichte Paare vom einem anderen Hersteller, einen Halbschuh und einen etwas Höheren. Damit bin ich im Winter sogar bei Schnee gegangen, was dank einer zusätzlichen, isolierenden Einlegesohle und sehr dicken Socken warm genug war. Nur stehen bleiben sollte man nicht zu lange. Das Modell „aktiv“ von leguano hat eine weiche, genoppte und ca. 5 mm dicke Sohle. Das Obermaterial ist aus flexiblem, luftigem Mesh-Gewebe. Die Sohlen der wasserdichten Schuhe sind nur 3 mm dick, aber etwas starrer. Alle Modelle haben Schnürsenkel und sind ultraleicht. Man merkt fast nicht, dass man etwas an den Füßen trägt.

Fazit: Für blinde und sehbehinderte Menschen sind Barfußschuhe eine tolle Möglichkeit, mehr Informationen über ihre Umgebung zu bekommen. Das hilft manchmal auch bei der Orientierung. Barfußgehen ist außerdem gesund und macht Spaß!

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